Am kommenden Sonntag, den 26.04.2020 schafft der Radentscheid Stuttgart auf der Mercedesstraße von 12:30 Uhr bis 15:30 Uhr einen sicheren und komfortablen Radweg.
Das Jahr 2020 ist bereits Rekordjahr, was den Stuttgarter Radverkehr betrifft. Sowohl der bisherige Tages- als auch der Wochenrekord an der Zählstelle am Leuze aus dem Juli 2019 sind schon im April eingestellt. “Stuttgart fährt Fahrrad. Dieser Trend ist schon ein paar Jahre auf den wenigen Radwegen zu beobachten. Durch das gute Wetter und auch durch Corona bekommt diese Entwicklung zusätzlich Schub” erklärt Tobias Willerding vom ADFC Stuttgart.
Das bleibt nicht ohne Probleme. “Die Infrastruktur war schon im letzten Jahr überlastet. Die Radwege sind viel zu schmal, viel zu unübersichtlich. Oftmals vermischt Fritz Kuhn Rad- und Fußverkehr, die eigentlich so gar nicht zueinander passen.” erklärt Thijs Lucas. Andere Städte wie Berlin oder Mailand haben längst auf die neuen Herausforderungen reagiert, sie richten Pop-up-Bike-Lanes – das sind temporäre geschützte Radwege – ein, die auch die Pläne für die Mobilität nach dem Lockdown beschleunigen, so der Sprecher des Zweirat Stuttgart.
In Stuttgart ist aber auch ein Jahr nach dem Gemeinderatsbeschluss, mit dem Stuttgart nach den Plänen des Radentscheids zur Fahrradstadt werden solle, noch keine Umsetzung in Sicht. “Wir haben schon vor der Pandemie darauf gedrängt, dass Fritz Kuhn endlich Radwege auf Stuttgarts Straßen bringt, gerne auch provisorisch. So lassen sich Erfahrungen sammeln und Fehler vermeiden. Es ist normal, dass bei neuen Projekten anfangs nicht alles perfekt ist, aber man sollte es tunlichst vermeiden für die nächsten 30 Jahre schlechte Infrastruktur in Beton zu gießen. Nichts vor 2022, an der Mercedesstraße auch erst 2024 und da auch in einer Qualität, die dem Stuttgart Standard nicht gerecht wird”, bemängelt Benedikt Glitz, Pressesprecher des Radentscheid Stuttgart.
Der „Stuttgart Standard“ ist ein mit dem Gemeinderat, der Stadtverwaltung und VertreterInnen verschiedener Fahrradinitiativen definierter Mindeststandard, nach dem alle Radverkehrswege in Stuttgart gestaltet werden sollen. “Darin stehen Mindestmaße, um beispielsweise gefährliche Überholmanöver durch Kraftfahrzeuge zu unterbinden, aber auch so einfache Dinge wie, dass Rad- und Fußverkehr getrennt zu führen sind. Gefährliche Radwege auf sogenannten Schutzstreifen sind unter allen Umständen zu vermeiden,” so Glitz.
Die Corona-Krise bewegt andere Städte längst dazu, moderne Methoden der Verkehrsplanung einzusetzen. Sie reagieren damit auf neue Herausforderungen des Infektionsschutzes, aber auch auf das Bedürfnis, sich Bewegen zu können. “In Stuttgart sind die Wohnungen eng und teuer. Wer jetzt keinen Garten oder wenigstens einen Balkon hat, braucht neue Möglichkeiten mit den Kindern an die Sonne zu kommen,” bemängelt Benjamin Feller, Sprecher der Kidical Mass. “Wien macht das ganz toll. Sie öffnen einzelne Straßenabschnitte für den Fußverkehr, Autos sind nur noch zu Gast und ermöglichen dort etwas Auslauf abseits der vollen Parks. Aber eigentlich würden auch einfach sichere Wege genügen, damit die Kinder ihren Bewegungsdrang nachkommen können.”
Innerhalb weniger Wochen schafft Berlin juristisch einwandfreie Protected Bike Lanes. Das sind provisorisch eingerichtete Radwege auf den rechten Fahrstreifen größerer Straßen. Das hat mehrere Vorteile. Erstens wird so der ÖPNV für all jene entlastet, die nicht umsteigen können. Zweitens können all die Menschen, die nicht auf den ÖPNV angewiesen sind ohne Angst mit dem Rad in der Stadt unterwegs sein. Drittens ermöglicht es auch den Kindern und Jugendlichen sicher und komfortabel ihre Wege zurückzulegen.
Der Radentscheid Stuttgart zeigt mit der Einrichtung des sicheren Radwegs entlang der Mercedesstraße, dass die Stadtverwaltung mit dem nötigen Willen und zielstrebigen Prozessen in der Lage ist, schnell und problemorientiert zu agieren. Dass jetzt alle die, die mit Bus und Bahn zur Arbeit fahren einfach aufs Auto umsteigen sollen, kann keine Lösung für die Fahrverbotestadt Stuttgart sein. Wir fordern die Stadt Stuttgart daher auf, an allen mehrspurigen Straßen Pop-up-Bike-Lanes einzurichten und auch weitere Maßnahmen zu ergreifen, die das öffentliche Leben und die Mobilität der Bevölkerung schützen, ohne sie ins Auto zu zwingen.
Hintergrdundinfos:
Aufforderung an Bundesverkehrsminister Scheuer und Landesverkehrsminister Hermann die Grundlagen für die Einrichtung von fairen Straßen zu schaffen. Mit Changing Cities und zahlreichen Unterzeichnern u. a. aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz:
- Pressemitteilung zum Brief an Andreas Scheuer (14.04.2020)
- Brief an Winfried Hermann (15.04.2020)
Unsere Antwort auf den Briefverkehr zwischen der deutschen Umwelthilfe und der Stadt Stuttgart.
Weitere Kontakte im Land und Bund:
- Umsetzung von Pop Up Bike Lanes in Berlin
- Online-Dialog mit den Planern der Berliner Pop Up Bike Lanes am deutschen Institut für Urbanistik, 29.4., 14 Uhr
- Ankündigung einer self made Pop-Up-Bike-Lane des Fuss- und Radentscheid Freiburg:
Aktion
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