Stuttgart. – Die Stadtverwaltung hat Planungen zur Umgestaltung des Knotenpunkts Friedrichswahl vorgelegt, die auch die Radschnellverbindung zwischen Feuerbach und Zuffenhausen betreffen. Die Planungen sollen in den kommenden Wochen im Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik sowie in den betroffenen Bezirksbeiräten diskutiert werden. Der Radentscheid Stuttgart hält die geplante Infrastruktur für höchst gefährlich für den Radverkehr.
Zwar hat der Gemeinderat 2019 beschlossen, dass Stuttgart zur Fahrradstadt werden soll, doch in den meisten Entwürfen des Amtes für Stadtplanung merkt man davon wenig. Auch die Planung zur Friedrichswahl räumt dem Autoverkehr unverhältnismäßige Vorteile ein. „Auf der gigantischen Fläche der Friedrichswahl findet die Stadtverwaltung nur minimalen Platz für enge Radstreifen, die für sicheres Radfahren völlig ungeeignet sind und höchstens dazu dienen, einen Großteil der Bevölkerung vom Fahrradfahren abzuschrecken. Und das ist noch das Beste, was sich über diese Kreuzung sagen lässt”, beschreibt Thijs Lucas, Verkehrsexperte vom Radentscheid Stuttgart, sein Unverständnis über das Kreuzungsdesign.
Nicht nur muten die Planungen an wie ein Relikt aus den 1960er Jahren, als man noch an die „autogerechte Stadt” glaubte. Sie enthalten auch mehrere Elemente, die zu Todesfallen für Radfahrende werden können. Ein freilaufender Rechtsabbieger, der den Radweg kreuzt, ist vorgesehen – immer wieder kommt es an solchen Stellen zu Unfällen, weil Autofahrende und besonders Lkw-Fahrende nicht mit querendem Radverkehr rechnen. „Man muss es deutlich sagen: Das sind Todesfallen. Andere Städte haben diese freilaufenden Rechtsabbieger, die ein Abbiegen sogar mit einem Lkw bei hohem Tempo erlauben, längst aus ihrem Planungsbaukasten gestrichen und bauen sie zurück. Stuttgart aber will sie jetzt noch wider besseres Wissen bauen”, wundert sich Achim Binder vom Zweirat Stuttgart.
Mindestens ebenso gefährlich sind Radwege in Mittellage zwischen zwei Kfz-Fahrstreifen – die sogenannten Angstweichen finden sich auch in der Planung zur Friedrichswahl. Radfahrende müssten sich dort zwischen den Fahrspuren einer der am schwersten von Autos und Lkws belasteten Straßen der Stadt behaupten und wären ständig in Gefahr, vom Kfz-Verkehr etwa bei Spurwechseln angefahren zu werden. „Die aktuell vorgelegte Planung wird sehr wahrscheinlich Leben kosten. Davon bin ich überzeugt. Bestenfalls werden Radfahrende die Stelle komplett meiden. Niemals wird Stuttgart mit einer solchen Betonplanung für den Kfz-Verkehr sein Ziel von 25% Radverkehrsanteil erreichen”, kommentiert Thijs Lucas.
Dabei hat der Gemeinderat 2019 die Zielsetzung beschlossen: die Stadtverwaltung soll „Radinfrastruktur schaffen, die für alle – für Eltern mit Kindern im Anhänger, aber auch für Kinder unter 8 Jahren, die auf dem Gehweg radeln, oder für Senior*innen auf E-Dreirädern – bequem und nicht nur sicher ist, sondern auch das Gefühl von Sicherheit vermittelt.” Der Radentscheid Stuttgart erinnert den Gemeinderat an dieses Ziel und fordert, dass die Verwaltung endlich diese demokratischen Beschlüsse umsetzt.
Die Bürgerinitiative, die 2018 35.239 Unterschriften für ein fahrradfreundliches Stuttgart gesammelt hat, gibt zu bedenken, dass es die drei verantwortlichen Bürgermeister in den letzten Jahren nicht geschafft haben, notwendiges Wissen aus eigenem Antrieb aufzubauen. Nun planen diese eine Kreuzung in einer Radschnellwegverbindung, die auf Jahrzehnte die Radverkehrsentwicklung sabotieren wird. „Wir sind entsetzt, dass der Radentscheid bei den Planungen weiterhin ignoriert wird und dass auch die konstruktive Kritik, die der ADFC Stuttgart bereits im Juni 2021 geäußert hat, nicht berücksichtigt wurde”, resümiert Christina Müller vom Radentscheid und ergänzt: „Der Gemeinderat muss verhindern, dass die Bürgermeister für die Bequemlichkeit des Autoverkehrs Menschenleben aufs Spiel setzen.”
Ansprechpartner für die Presse:
Thijs Lucas, presse@radentscheid-stuttgart.de, 0176 41 62 33 82
Hintergrund
- Beschlussvorlage der Verwaltung GRDrs 861/2021: Umbau Knotenpunkt B 10/B 27 Direktauffahrt vom 10.11.202, Anlage 1: Lageplan Variante 8b V
- Stellungnahme des ADFC Stuttgart zum Umbau des Knotenpunkts Friedrichswahl vom 20.06.2021
- Gemeinderatsbeschluss zum Radentscheid
- Studie zu Radwegen in Mittellage der TU Berlin
- Thread auf Twitter mit Auswertung der Flächenverteilung
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