Stuttgart, 28.09.2020 – Der Radentscheid Stuttgart sieht sich durch die Erfolge der Pop-Up-Bike-Lanes an der Holzgartenstraße und der Theodor-Heuss-Straße bestätigt. Einerseits nahm der Radverkehr entlang der Straßen eindeutig zu, andererseits bestätigten sich auch die anfänglichen Bedenken, durch die fehlenden Anbindung an die Kreuzungen als auch das eingeschränkte Sicherheitsgefühl auf Grund der fehlenden baulichen Trennung. “Wie erwartet, zeigt sich zwar eine Aufwertung des Straßenraumes, gleichzeitig sehen wir aber auch eine Handvoll an nötigen Nachbesserungen” beschreibt Thijs Lucas, Verkehrsexperte des Radentscheid Stuttgart, die Situation an den Pop-Up-Bike-Lanes. “Der große Vorteil an der schnellen und provisorischen Herangehensweise der Stadt Stuttgart kann jetzt voll zum Tragen kommen, wenn mit einfachen Maßnahmen die nun offensichtlichen Probleme beseitigt werden.”
Als solche Probleme erkennt der Radentscheid Stuttgart
- – die fehlende bauliche Trennung von Auto- und Radverkehr,
- – die mangelhafte Anbindung sowohl über die Zufahrten direkt an den Radweg als auch
- – die Anbindung an wichtige Orte des Alltagsverkehrs wie Stuttgart-West und das Europaviertel und
- – die mangelhafte Achtung der Radwege durch einen kleinen, aber schwerwiegenden Teil von Autofahrer*innen.
“Besonders die fehlende bauliche Trennung und die viele Autos auf den Radwegen schränken das Sicherheitsgefühl stark ein,” beschreibt Benjamin Feller, sachkundiger Einwohner der Stadt Stuttgart zu Radverkehrsthemen und Mitorganisator der Kidicial Mass. “Eltern haben hier Angst um ihre Kinder. Aber auch ganz allgemein bei den vielen Erwachsenen, die mit dem anhaltenden Fahrradboom aufs Rad steigen und noch nicht an den oft rauen und rücksichtslosen Autoverkehr auf Stuttgarts Straßen gewöhnt sind, stellen wir Angst und Sorgen um die eigene Sicherheit fest.”
Der Radentscheid Stuttgart nennt zur Lösung der beschriebene Probleme sechs Lösungsmöglichkeiten:
- Mit dem gesammelten Wissen aus den Pop-Up-Bike-Lanes muss es das Ziel sein, das die Radwege vom Provisorium in fest installierte Radwege zu überführen. Nach dem Gemeinderatsbeschluss zur “Fahrradstadt Stuttgart” ist das Ziel ein Radverkehrsanteil von 25 % bis 2030. Radwege müssen entsprechend dem angestrebten Radverkehrsanteil geplant werden. Heutige Radwegeplanungen sind so zu dimensionieren, dass diese die Anforderungen eines dreimal so hohen Radverkehrsaufkommens erfüllen.
Sollten juristische Bedenken, bei der dauerhaften Einrichtung der beiden Pop-Up-Bike-Lanes bestehen, erwarten wir die juristische Klärung unter Einbeziehung des Landesverkehrsministeriums. - Eine bauliche Trennung von Rad- und Autoverkehr, wie sie der Gemeinderat seit Februar 2019 von der Stadtverwaltung fordert, muss von der Stadtverwaltung umgesetzt werden. Baulich getrennte Radwege werden von Radfahrenden und Autofahrenden als sicher bewertet und bevorzugt. .
- Das derzeitige Parkraummanagement und auch das Lieferzonenkonzept entlang der Theodor-Heuss-Straße tragen dazu bei, dass es zu Behinderungen und Gefährdungen des Radverkehrs auf den Pop-Up-Bike-Lanes kommt. Mit Lieferzonen, linksseitig der Radwege ließen sich die Radwege vor den vielen Falschparkern und dem damit verbundenen Autoverkehr schützen. Eine zwingend notwendige Begleitmaßnahme ist das konsequente Abschleppen aller Falschparker.
- Die derzeitige Pop-Up-Bike-Lane schwebt nahezu im Nichts und erschließt nicht die nächstgelegenen Kreuzungen am Rotebühlplatz und am Arnulf-Klett-Platz. Kreuzungen gehören zu den komplexesten Planungsaufgaben. Die Stadtverwaltung sollte daher dem Gemeinderat Best-Practice-Lösungen aufzeigen. Der Radverkehrsetat von etwa 24 Millionen Euro oder 40 Euro pro Einwohner*in und Jahr bietet die Möglichkeit, die Baden-Württembergische Forschung und Wissenschaft mit den lokalen Hochschulen und dem Studienfeld „Nachhaltige Mobilität” in die Entwicklung zu integrieren.
- Die Pop-Up-Bike-Lane an der Theodor-Heuss-Straße muss die Orte erschließen, an denen sich Menschen aufhalten. Das sind entlang der verlängerten Achse der Theodor-Heuss-Straße vor allem die Wohngebiete in Stuttgart-West und -Nord als auch das Europaviertel. Der Radweg sollte daher mit einfachen und effektiven Maßnahmen auf die Strecke von der Silberburgstraße bis zur Wolframstraße erweitert werden.
- Die Erkenntnisse aus den Pop-Up-Bike-Lanes sollten in den “Stuttgart Standard” einfließen. Dieser beschreibt den Mindeststandard für die laufenden und zukünftigen Planungen von Radverkehrsanlagen in Stuttgart und wird zwischen Gemeinderat, Stadtverwaltung und den sachkundigen Einwohner*innen ausgehandelt und definiert.
Sollte die Stadt Stuttgart diesen Vorschlägen folgen, sehen wir ein großes Potenzial einfach und sicher zu schnellen Verbesserungen der Stuttgarter Mobilität zu kommen. Der Bedarf ist ebenso riesig, wie die Möglichkeiten: einerseits steigen immer mehr Menschen aufs Rad. Das zeigen die steigenden Zahlen und leider auch die steigenden Unfallzahlen mit zu vielen schweren und tödlichen Verkehrsopfern. Eine Greenpeace-Studie zeigt, dass Stuttgart mit dem Mittel der Pop-up-Bike-Lanes in kurzer Zeit bis zu 121 km einfache und sichere Radwege schaffen kann.
Die zu Grunde liegenden Beobachtungen des Zweirats finde Sie hier: https://zweirat-stuttgart.de/wp-content/uploads/2020/09/Brief-Stellungnahme-PopUp-BikeLanes.pdf
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